M. Primas: Bronzezeit zwischen Elbe und Po

Titel
Bronzezeit zwischen Elbe und Po. Strukturwandel in Zentraleuropa 2200–800 v. Chr..


Autor(en)
Primas, Margarita
Reihe
Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 150
Erschienen
Bonn 2008: Rudolf Habelt Verlag
Anzahl Seiten
286 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Urs Niffeler

«Dies ist kein Handbuch der Bronzezeit, sondern eine an Themen und Fragen orientierte Auseinandersetzung mit den Quellen einer ungefähr 1400 Jahre umfassenden Epoche.» lautet der allererste Satz der Publikation, zu finden im Vorwort. Es geht der Autorin darum, aus den verschiedenen archäologischen Quellengruppen und deren Interdependenz Informationen über «… Veränderungen in den erfassbaren Lebensbereichen und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Quellengruppen…» zu gewinnen, da sie darin «… Elemente sozialen Handelns und zugleich … Ausdruck der kulturellen, technischen und ökonomischen Innovationsfähigkeit …» sieht. Mittel dazu ist das Verknüpfen und interpretieren von Funden und Befunden im Rahmen einer Gesamtschau des zentraleuropäischen Raums – von der Elbe bis zum Po und von der Theiss bis zur Saône – und in Längsschnitt durch die Zeit.

Und die Autorin hält Wort: Ins Zentrum stellt sie nicht die Untersuchung und Wertung des Einzelfalls, sondern grossräumige und langlebige Muster sowie deren Veränderungen. Das konkrete Beispiel liefert die Grundlage für die Überlegungen; die Diskussion beschränkt sich im Wesentlichen auf die Frage, ob und wie weit der konkrete Befund oder Fund aussagekräftig ist. Ihre auf das Thema «2. Siedlungen: Die Aneignung des Lebensraums» bezogene Aussage «Da für solche Fragen nur in gut erforschten Mikroregionen ausreichend detaillierte Untersuchungen und deren veröffentlichte Ergebnisse verfügbar sind, muss mit Referenzfällen argumentiert werden, die gewisse Standards erfüllen.» (S. 16) gilt mutatis mutandis natürlich auch für alle übrigen Bereiche, die M. Primas anschneidet.

Die Ausrichtung auf Fragen der Kulturgeschichte und Kulturanthropologie drückt sich folgerichtig in den Kapiteltiteln aus: Im bereits genannten Kapitel 2, «Die Aneignung des Siedlungsraums», liefert die Darstellung der Muster die Grundlagen für das abschliessende Unterkapitel «Siedlung und Gesellschaft». Analoges gilt für das Kapitel 3, «Gräber: Ritual und Sozialordnung»; die Darstellung von Geschlecht, Alter, sozialem Status und Gruppenzugehörigkeit ist hier das wesentlichen Anliegen. In Kapitel 4, «Aspekte von Güterproduktion und Verbrauch», sowie in Kapitel 5, «Metallurgie», — man mag auch Kapitel 6, «Handel, Austausch, Verkehr» hinzunehmen — führen die Präsentation von Resultaten hin zur Frage, was sich über die gesellschaftlichen Realitäten ableiten lässt; insbesondere dem Thema der Spezialisierung und damit verbunden der gesellschaftlichen Differenzierung kommt hohe Bedeutung zu. In Kapitel 7, «Bilder und Zeichen», nähert sich die Autorin einem Bereich, in dem es darum ginge, Gedanken und Vorstellungen wiederzugewinnen, die nicht als solche, sondern in einer materialisierten Form vorliegen — letztlich also darum, einen Umsetzungsprozess rückgängig zu machen. Entsprechend dem Forschungsstand müssen die Aussagen vorsichtig bleiben: Die Beschreibung der vorhandenen Objekte und ihres Kontext macht einen deutlich grösseren Anteil aus als in den vorangehenden Kapiteln. Und das Herleiten von dahinter stehenden Vorstellungen und Gehalten ist in den seltensten Fällen möglich. Das Kapitel 8 schliesslich — es ist etwas missverständlich mit «Nachlass einer Epoche» übertitelt — verdichtet die vorangehenden Resultate und Aussagen noch einmal: es geht um die Frage der Eliten, darum, wie Neues übernommen wurde oder eben nicht (Stichwort mykenische Drehscheibenware und Nicht-Übernahme der schnell rotierenden Töpferscheibe, S. 202), sodann unter dem Titel «Überregionale Netzwerke» um Beziehungen bzw. ihr Fehlen, wie es sich im Vorhandensein oder in der Abwesenheit von Fremdgütern abzeichnet und schliesslich um Elemente bronzezeitlicher Religion.

Die Umsetzung des Grundanliegens hat verschiedene Konsequenzen: Die Autorin muss Vieles in Kurzform darstellen; will man über ein Thema, einen Gedankengang oder einen Befund mehr wissen, findet man über Kurzsiglen im Text und/oder Fussnoten mit Kurzsiglen leicht in weiterführende oder die Basis legende Literatur. Dies führt zu einem Literaturverzeichnis von 39 Seiten — enorm für ein Buch von 268 Seiten —, das leider nicht nach Kapiteln geordnet ist. Zudem sind in Einzelfällen Aussagen nicht nachvollziehbar (z.B. S. 20: frühbronzezeitliche Langbauten vom Typ Eching/Öberau , vor allem N-S-orientiert, Rundung im Norden: «… Die der Wetterfront zugekehrte Schmalseite ist öfters gerundet, …». Dagegen in M. Schefzik, Die bronze- und eisenzeitliche Besiedlungsgeschichte der Münchner Ebene. Internationale Archäologie 68 [2001], 19: an 250–270 Tagen Wind, davon an 190 Tagen aus westlichen Richtungen). Insgesamt aber bietet der Band einen «Blick aus Distanz», der manches klarer und in schärferem Relief zeigt als dies eine minutiöse Auseinandersetzung mit einem Einzelereignis vermag.

Zitierweise:
Urs Niffeler: Rezension zu: Margarita Primas, Bronzezeit zwischen Elbe und Po. Strukturwandel in Zentraleuropa 2200–800 v. Chr. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 150. Bonn 2008. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 91, 2008, S. 251.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 91, 2008, S. 251.

Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Thema
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit